Ein Schreiben, das die Mitglieder des Haushaltsausschusses Ende vergangener Woche erreichte, unterschied sich von den üblichen Beschwerden. Infolge der Haushaltssperre und unklaren Förderzusagen für Sozial- und Klimaprojekte erhalten die Ausschussmitglieder viele Anfragen, in denen die potenziell Betroffenen bereits vorsorglich darlegen, warum ihr Projekt unbedingt von den Sparmaßnahmen ausgenommen werden muss.
Doch das Schreiben von Karsten Schneider und Kai Gardeja, dem Bürgermeister bzw. dem Tourismusdirektor des Ostseebades Binz, wies einen gegenteiligen Inhalt auf: Die beiden schlugen den Haushaltspolitikern vor, wo sie in ihrer Not zumindest mehr als eine Milliarde Euro einsparen könnten, nämlich wenn sie die Planung und den Bau eines Flüssiggas-Hafens vor der Insel Rügen stoppen.
Droht Habecks LNG-Terminal zu scheitern? Rügener machen Milliarden-Sparvorschlag
Die beiden Binzer Kommunalpolitiker schrieben: „Sie haben es in der Hand, den Bau dieser gewaltigen Investitionsruine zu stoppen, die deutsche Klimapolitik vor einem erheblichen Rückschritt bewahren und damit irreparable Schäden auf Deutschlands beliebtester Urlaubsinsel abwenden. Es ist noch nicht zu spät, die Notbremse zu ziehen.“
Sie machten zudem eine Kostenaufstellung zur Entlastung von Staat und Steuerzahler: Mehr als eine Milliarde Euro für den Bau und das Netz sowie Sicherheitsgarantien, die ebenfalls in Milliardenhöhe angesiedelt sind.
Dadurch kristallisiert sich das erste Vorhaben in Deutschland heraus, das möglicherweise aufgrund des Haushaltslochs, das sich nach dem Karlsruher Urteil aufgetan hat, gestoppt wird. In der Region herrscht bereits ein gewisser Aufatmen aufgrund dessen. Die Absage an den Bau des Flüssiggas-Terminals zahle sich für die Gesellschaft aus, betonen die beiden Briefschreiber jedenfalls.
Die Gasspeicher sind gefüllt, Überkapazitäten werden befürchtet
Hintergrund ist ein seit Monaten anhaltender Streit zwischen der Notwendigkeit, eine stabile Gasversorgung für die Industrie aufzubauen, die Wirtschaftsminister Robert Habeck sieht, und den Anhängern eines unverbauten Ostseeblicks an einem der schönsten Strände der Republik – eben auf der Insel Rügen. Eine Mehrheit der Bewohner dort fürchtet um ihr Touristenparadies, von dem sie leben, und hat deswegen eine solide Argumentationskette aufgestellt, die deutlich machen soll, dass es das LNG-Terminal im Urlauberzielgebiet wirklich nicht braucht.
Schließlich seien die deutschen Gasspeicher zu nahezu 100 Prozent gefüllt und die bereits aktiven LNG-Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven nur zur Hälfte ausgelastet. Die Gasmangellage, die im letzten Jahr noch befürchtet wurde, existiere nicht; Sicherheitsreserven seien ausreichend vorhanden.
Tatsächlich bewertet die Bundesnetzagentur, die für die Gasversorgung verantwortlich ist, die Lage seit längerer Zeit als „stabil“. Selbst eine Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln, die im Auftrag des Wirtschaftsministeriums erstellt wurde, prognostiziert inzwischen massive Überschüsse durch den weiteren Ausbau der LNG-Terminalinfrastruktur.
Unterstützung für die LNG-Gegner aufgrund der angespannten Haushaltslage
Die Gegner des Projekts vor Rügen weisen außerdem darauf hin, dass Gas – insbesondere das weitgereiste Flüssiggas – auch unter Umweltaspekten nicht die optimale Lösung sei. Das geplante LNG-Terminal in Mecklenburg-Vorpommern „ist längst zum Symbol einer faktenfreien, demokratieschädigenden und umweltschädlichen Politik geworden“, argumentieren die Projektgegner.
Sie fühlen sich nun bestärkt. Obwohl der Deutsche Bundestag Anfang Juli dieses Jahres durch die Aufnahme von Rügen in das LNG-Gesetz den Weg für das Flüssiggas-Terminal freigemacht hat, zwingt die angespannte Haushaltslage zu neuer Überlegung.
Lisa Badum, eine seit jeher skeptische Grünen-Politikerin in Bezug auf LNG und Mitglied im Ausschuss für Energie- und Klimapolitik, verweist auf eine weltweite Initiative, an der sie beteiligt ist und die zum Ziel hat, den Ausbau von LNG-Terminals zu stoppen. Dies würde dann auch Rügen betreffen.
Der Artikel “Kippt jetzt Habecks Prestigeprojekt? LNG-Gegner machen Milliarden-Sparvorschlag” stammt von The European.