Obgleich offiziell im April 2018 am Matterhorn abgängig und später für tot erklärt, wachsen die Unsicherheiten bezüglich des bedauerlichen Skiunfalls des Tengelmann-Erben Karl-Erivan Haub. Eine deutsche Journalistin hat über Jahre hartnäckig zu dem Vorfall recherchiert – und wird nun bedroht.
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Vor kurzem geschah am sonnigen Morgen des 7. April 2018 um kurz nach 9 Uhr am Gletscher des Kleinen Matterhorn etwas, dessen Genauigkeit immer noch unklar ist. Klar ist nur, dass eine Überwachungskamera der Seilbahnstation in 3883 Metern Höhe um Punkt 9.06 Uhr die letzten Bilder machte, die zweifelsfrei Karl-Erivan Haub zeigen.
Der als sehr erfahren geltende Alpinist wollte sich scheinbar auf ein hartes Skitourenrennen vorbereiten, das wenige Tage später in dem Schweizer Nobelskiort Zermatt starten sollte. Doch daran nahm Haub nie teil. Seit jenem April-Tag fehlt vom Erben des milliardenschweren Tengelmann-Imperiums jede Spur.
Die Akte Tengelmann: Welche Rolle der russische Geheimdienst spielt
Eine Woche lang hatte die Zermatter Bergwacht damals nach Haubs Verschwinden mit Dutzenden Helfern und mehreren Helikoptern nach dem Tycoon gesucht – ergebnislos. Am 23. Juni 2021 erklärte das Kölner Amtsgericht Haub offiziell für tot.
Inzwischen sind mehr als fünf Jahre vergangen. Doch das mysteriöse Verschwinden lässt viele nicht los. Allen voran Liv von Boetticher. Die Investigativ-Reporterin von RTL recherchiert seit fast drei Jahren zu dem Fall. Einen Großteil der mysteriösen Widersprüche, auf die sie bei ihren Recherchen stieß, hat sie in einem Buch mit dem Titel „Die Akte Tengelmann – Welche Rolle der russische Geheimdienst spielt und warum deutsche Behörden nicht ermitteln“ zusammengefasst, das im Mai erschien und zum Bestseller wurde.
Nun hat von Boetticher einen neuen Podcast vorgestellt, der ab Mittwoch bei Podimo zu hören ist. Er trägt den Titel „Die Akte Tengelmann – ein Milliardär verschwindet”.
Geldwäsche, Geliebte, Agent für Russlands Geheimdienst?
Die Ermittlungen, über die von Boetticher darin berichtet, seien in Auftrag gegeben worden von Haubs jüngstem Bruder Christian, der inzwischen die Unternehmensgruppe leitet. Daraus ergaben sich laut von Boetticher unter anderem Hinweise auf fragwürdige Investitionen und Geldwaschgeschäfte der Tengelmanngruppe in Russland sowie eine mögliche Agentenrolle Karl-Erivan Haubs für den russischen Geheimdienst.
Zudem soll Haub in Sankt Petersburg eine geheime Geliebte namens Veronika gehabt haben, mit der er in der Nacht vor seinem Verschwinden in der Zermatter Bergwelt lange telefoniert hatte. Von Boetticher hat umfangreiche Akteneinsicht von den Ermittlern bekommen und viele Angaben dazu verifizieren können.
Eine anonyme Gruppe von Alpinisten hatte den schweizerischen Behörden seinerzeit zudem eine Einschätzung zugespielt, die die These eines inszenierten Verschwindens stützt. Karl-Erivan Haub, der auch nach Recherchen von FOCUS online in Zermatter Bergführer-Kreisen als erfahrener Alpinist und Tourengeher galt, sei viel zu clever gewesen, allein in einem Gebiet mit zahllosen tückischen Gletscherspalten zu trainieren. Sie vermuteten, dass Haub sich leichtund unbemerkt ohne großen Aufwand über die italienische Seite in Richtung Cervinia abgesetzt habe könnten.
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“Das Dossier Tengelmann und das rätselhafte Verschwinden des Milliardärs Karl-Erivan Haub” – welche Funktion der russische Geheimdienst ausübt und warum deutsche Behörden keine Untersuchungen anstellen. (FinanzBuch Verlag)
Von Boetticher versichert: „Familie im Besitz von Fotos“
Einer der bedeutendsten Enthüllungen in den Recherchen von von Boetticher ist, dass die Familie gemäß von Boetticher frühzeitig über einen potenziell inszenierten Tod Haubs informiert gewesen sein soll. Die Familie soll sogar Fotos des angeblich Verschollenen besitzen, welche einige Monate nach seinem vermeintlichen Ableben in Moskau aufgenommen worden sein sollen. Sie hatte persönlich die Quellen der Bilder zweifelsfrei überprüft, die Aufnahmen mit einem Juristen begutachtet und eine markante Ähnlichkeit bestätigt.
Ganz im Gegensatz zu ihrer Befürchtung, dass die Haub-Familie versuchen würde, ihr Buch mit gerichtlichen Schritten zu sabotieren, sei es stattdessen friedlich geblieben, offenbarte von Boetticher am Dienstag in Berlin. Bis zur Veröffentlichung ihres Buches hatte es keine Androhungen gegeben. Sie war lediglich von den Haub-Ermittlern und Anwälten darauf hingewiesen worden, äußerst vorsichtig bei den Recherchen zu den Geschehnissen in Russland vorzugehen.
Reporterin bedroht: „Mit Recherchen nicht zu weit gehen“
Doch scheint sich dies mit der Bekanntgabe der neuen sechsteiligen Podcast-Serie geändert zu haben. Nach der Veröffentlichung des Buches hatten sich bei von Boetticher mehrere Zeugen aus dem engsten Haub-Umfeld gemeldet, die gewisse Verdachtsmomente bezüglich des inszenierten Verschwindens vor fünfeinhalb Jahren bestätigten. „Dazu gehören auch angebliche Geldwäscheaktivitäten der Tengelmann-Firmen ‘Plus Russland’ und ‘Obi Russland’. Vor einer Woche hatte ich dann erstmals einen anonymen Anruf erhalten, in dem mir eindeutig davon abgeraten wurde, mit den Recherchen nicht zu weit zu gehen.“
Journalistin erstattete Anzeige gegen Christian Haub
Gegen die Aussage von Christian Haub, er habe keine Hinweise darauf, dass sein älterer Bruder Karl-Erivan noch lebe, war von Boetticher im Mai mit einer Anzeige wegen Meineids gerichtlich gegen den neuen Tengelmann-Chef vorgegangen. Christian Haub hatte im Mai 2021 vor dem Amtsgericht Köln unter Eid erklärt, dass ihm keine belastbaren Beweise dafür vorlägen, erklärte von Boetticher gegenüber FOCUS online.
Christian Haub hatte in der eidesstattlichen Versicherung ebenso erklärt, Von Boetticher wertet zudem, dass der mittlere Haub-Bruder Georg seinen Namen aus dem gemeinsamen Antrag der Haub-Familie sowie der Tengelmann-Gruppe auf Todeserklärung kurzfristig zurückgezogen hatte, als äußerst merkwürdig. Angeblich soll Georg nicht nur daran glauben, dass sein älterer Bruder noch lebe, sondern sogar mit ihm nach dem Verschwinden in Zermatt telefoniert haben. Dies hatte “Bild” im Januar 2021 unter Berufung auf Familienkreise berichtet. Von Boetticher zeigt sich verärgert darüber, dass die Staatsanwaltschaft Köln bislang keine eigenen Ermittlungen in dem Fall angestrebt hat. „Ich werde alle möglichen Schritte unternehmen, um die Staatsanwaltschaft Köln und das Justizministerium in Nordrhein-Westfalen an ihre Pflicht zur Aufklärung von Straftaten zu erinnern.“ Weil es könne nicht sein, dass Milliardäre vor Gericht anders behandelt würden als andere Straftäter.„Milliardäre können vor Gericht nicht anders behandelt werden als andere Straftäter“