Der Minister für ländliche Gebiete, Cem Özdemir, erkennt in den teilweise sehr leidenschaftlichen Bauernprotesten eine Bedrohung für die wachsende Spaltung der deutschen Gesellschaft.
Die Menschen in ländlichen Gebieten fühlen sich abgehängt, sagte der Politiker der Grünen gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Sie sorgen sich, dass sie in einer Politik, die zunehmend von Städtern dominiert wird, ins Hintertreffen geraten.“
„Dies ist ein gefährliches Element, das zu Bedingungen führen kann wie in den USA: Man spricht nicht mehr miteinander, man glaubt einander nicht mehr und man unterstellt einander alles Böse“, so Özdemir. Das Ziel müsse sein, das Land „in der Mitte zusammenzuhalten“.
Am Montag hatten Landwirte eine landesweite Aktionswoche gegen die bereits abgeschwächten agrarpolitischen Pläne der Ampel-Koalition gestartet. Konkret richten sich die Proteste gegen die schrittweise Kürzung von Subventionen für Agrar-Diesel.
„Die Verbraucher streben nach mehr Tierwohl, aber kaufen nicht entsprechend ein“
Özdemir rief nun dazu auf, grundsätzlich über die Rolle der Landwirtschaft zu diskutieren, denn die Interessen der Verbraucher und der Landwirtschaft klaffen auseinander.
„Die Verbraucher wollen mehr Tierwohl, mehr Klimaschutz, mehr Umwelt- und Artenvielfalt – und das ist auch gut so“, sagte Özdemir. „Aber sie handeln nicht danach, auch wenn sie sich das leisten könnten.“ Es könne nicht sein, dass die Landwirte die Rechnung für die Wünsche der Verbraucherinnen und Verbraucher begleichen, erklärte der Minister. „Wenn wir beispielsweise mehr Tierschutz im Stall wollen, muss das finanziert werden, etwa durch eine Tierwohlabgabe“, sagte Özdemir. Das würde eine maßvolle Belastung beim Fleisch bedeuten – um wenige Cent pro Kilo.
Der Minister rief in diesem Zusammenhang zu einem parteiübergreifenden Bündnis für eine Tierwohlabgabe auf. „Das Geld käme der Landwirtschaft zugute.“ Zugleich bestritt Özdemir, dass die Pläne zur Streichung der Subventionen für Agrardiesel aus seinem Ministerium kommen. Er habe sich als Minister gegen jede Einschränkung beim Agrardiesel ausgesprochen.
Mit den zunächst gefassten Beschlüssen wären die Landwirte überproportional betroffen gewesen, mahnte er. Er sei froh, dass die Bundesregierung die Streichung der Subventionen „an entscheidender Stelle korrigiert“ habe.
Bereits am Montag hatte Özdemir Kritik der Union an der Ampel-Koalition zurückgewiesen. In den vergangenen 40 Jahren seien die Agrarminister in 31 Jahren von CDU und CSU gestellt worden.
Lob für „gesetzeskonforme“ Proteste
Des Weiteren warnte Özdemir vor der Vereinnahmung der Proteste durch rechte Gruppierungen. Leider gebe es bei den Protesten der Landwirte Trittbrettfahrer, die „alles im Schilde führen, nur nicht die Interessen der Bauern. Ginge es nach der AfD, würde die Landwirtschaft einfach gar keine Subventionen mehr bekommen“, sagte er.
„Ich hoffe, dass es ihnen gelingt, den Protest weiterhin so zu organisieren, dass sich die Trittbrettfahrer nicht in den Vordergrund spielen“, so Özdemir. Am Dienstag hatte Özdemir den Bauernverbänden dafür gedankt, dass die Proteste der Landwirte bislang „überwiegend absolut friedlich und gesetzeskonform“ gewesen seien.
Zuvor hatte er am Montag zu Beginn der bundesweiten Protestwoche von Landwirten erklärt, dass die Mehrheit der deutschen Landwirtinnen und Landwirte „ihre Anliegen mit demokratischen Mitteln“ vertrete. „Das ist ihr gutes Recht“, sagte er. (Reuters, epd)