Die Bundeskanzlerin hat angekündigt, „Große Abschiebungen“ zu vollziehen, und die Ampelkoalition setzt diese Zusage nun mit dem Abschiebe-Gesetz um. Das Gesetz trägt nun den Namen „Gesetz zur Verbesserung der Rückführung“, weil das positive Umschreiben von Gesetzen mittlerweile üblich geworden ist.
Ampel betreibt Imagepflege
Es handelt sich hier um eine Form von “Imagepflege” aus zwei Gründen:
Zum einen lehnen die Grünen Abschiebungen weiterhin grundsätzlich ab. Deshalb schickten sie Filiz Polat in den Bundestag, die dort erklärte, sie befürchte, dass dieses Gesetz “Eingriffe in grundsätzliche Menschenrechte” mit sich bringe, und gab bekannt, dass man alle Einzelbestimmungen “genau prüfen” werde. Dies ist ein versteckter Hinweis darauf, dass sie versuchen werden, es zu verhindern oder abzuschwächen. Dies ist grundsätzlich möglich, da nach dem sogenannten Struckschen Gesetz noch nie ein Gesetz den Bundestag in der gleichen Form verlassen hat, wie es in ihn eingetreten ist.
Der zweite Grund für die Imagepflege: Dieses Gesetz wird nichts an der grundsätzlichen Problematik ändern – ein beträchtlicher Teil der Asylbewerber hat keinen Anspruch auf Anerkennung als politisch verfolgt und auch keinen Anspruch auf Abschiebeschutz per Duldung und bleibt dennoch hier. Dies ist den Bundesinnenministerinnen Nancy Faeser (SPD) und den Ampel-Innenpolitikern ebenfalls bewusst.
Denn wie SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte: “Nur” mit dem Abschluss von Migrationsabkommen “werden wir die Migration stärker lenken können”. Dies ist eine unverblümte Darstellung der Realität: Deutschland kann so sehr Abschiebungen wollen und so konsequent sein, wie es will – wenn kein Land zu finden ist, das abgelehnte Asylbewerber wieder aufnimmt, wird die Abschiebung nicht erfolgen.
Viele abgelehnte Asylbewerber verschleiern ihre Herkunft
Und es gibt viele Gründe, warum in der Regel kein Land zu finden ist: Viele abgelehnte Asylbewerber sind staatenlos – Palästinenser zum Beispiel. Wohin sollte man sie abschieben? Viele abgelehnte Asylbewerber verschleiern ihre Herkunft, auch auf Anraten ihrer Schleuser. Sie werfen also ihre Pässe weg, und dann muss Deutschland ermitteln, woher sie kommen, was sehr schwierig ist.
Da dies in der Regel nicht erfolgreich ist, erhält der Staat eine weitere und neue Ermittlungsmöglichkeit: Es erlaubt sich, die Mobiltelefone der Migranten auszulesen (Es ist erstaunlich, dass dies bis heute verboten ist). Da viele abgelehnte Asylbewerber sich der Abschiebung durch Untertauchen entziehen, erhält der Staat nun die Möglichkeit, auch im Nachbarzimmer der Asylunterkünfte nachzusehen (Es ist erneut erstaunlich, dass dies bis heute verboten ist.)
Einige Gruppen formen eine Anti-Abschiebungsfront
Beide Maßnahmen erklären den Hinweis von Filiz Polat von den Grünen, dass das Gesetz weitgehende Eingriffe in verbriefte Menschenrechte bedeute. Tatsächlich wird der Anspruch auf das Fernmeldegeheimnis von Migranten genauso eingeschränkt wie die Unverletzlichkeit der Wohnung. Polat, Tochter eines voll integrierten türkischen Einwanderers, eines Arztes mit eigener Praxis, vertritt mit ihrer Ansicht nicht alleine die Meinung, was auch ein Grund dafür ist, weshalb das mit den Abschiebungen nicht funktioniert.
Die beiden christlichen Kirchen, der Zentralrat der Sinti und Roma, der Deutsche Anwaltverein, NGO’s wie Pro Asyl, bilden eine Anti-Abschiebungsfront; die einen aus moralischen Gründen, andere, weil ihr Geschäftsmodell darauf beruht. Insgesamt ist diese informelle Koalition aus Abschiebungsgegnern aber stark, sie kann vor Ort, lokal und konkret,einen erheblichen gesellschaftlichen Druck erzeugen.
Weiterhin gibt es für die Grünen zusätzliche Gründe, das Gesetz nun im parlamentarischen Verfahren vom Restriktiven ins Liberale zu verschieben, und Max Lucks machte einen davon deutlich, als er bei seiner ersten Rede im Bundestag sich selbst als „schwuler Katholik“ bezeichnete.
Der Grüne Lucks, früher Sprecher der Grünen Jugend und aus dem Ruhrgebiet, aus Bochum stammend, berichtete von “Schicksalen, die so nicht passieren sollten”, konkret: Von der Abschiebung von Jesiden in den Irak, “wo sie dann vom IS verfolgt werden”. Trotz der Einstufung des Parlaments die Verfolgung und Ermordung von Jesiden als Völkermord, als Genozid, leben nirgendwo in der Diaspora so viele Jesiden wie in Deutschland: 200.000 Menschen, die als eigene Ethnie von den Vereinten Nationen anerkannt wurden.
Verschiedene Einschätzungen von links und rechts
Grüne wie Polat lehnen Abschiebungen auch deshalb ab, weil sie gegen gewaltsame Behandlungen von Menschen durch staatliche Macht sind. Polat sagt, sie setze stattdessen auf „freiwillige Rückkehr“. Das ist das eine. Das andere: Große Gruppen von Migranten kommen für Polat erst gar nicht für Abschiebungen infrage, Afghanen zum Beispiel: „Die können und wollen wir nicht abschieben.“
Einige Zeilen noch zu Nancy Faeser, die den Gesetzentwurf begründete, indem sie es ihr Staatsverständnis einbettete. Deutschland habe eine „erstaunliche Entwicklung“ genommen – vom Nationalsozialismus „hin zu einem Land, in dem Menschen Schutz suchen und das sich weltweit für Frieden einsetzt, ein solidarisches Land“.
Die Einschätzung der Union beschreibt Deutschland als das genaue Gegenteil. Es gebe eine „Vertrauenskrise in die demokratische Politik“, möglicherweise sogar eine „Staatskrise“, so der Parlamentarische Geschäftsführer Hendrik Hoppenstedt.
Man kann es unter dem Strich so beschreiben:
Links der Mitte dominiert der Stolz auf Deutschland wegen der humanitären Leistung, sehr viele Flüchtlinge aufgenommen zu haben. Rechts der Mitte dominiert die Angst um Deutschland wegen der Vernachlässigung der staatlichen „Ordnung“ über diese humanitäre Leistung.
Dazwischen tut sich ein gesellschaftspolitischer Graben auf. In dem die FDP sitzt und laviert und versucht, sich als staatstragend und verantwortungsethisch gegen die Gutmeinenden zu behaupten.
Die Debatten um Abschiebung haben etwas sehr Symbolhaftes. Abschiebungen sind schwierig bis unmöglich, und die Debatte darüber verstellt den Blick auf eine ganz andere Erkenntnis: Ohne die Auslagerung der Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union, wird sich der Asylmissbrauch am Ende nicht beseitigen lassen. Das freilich ist mit den Ampelparteien nicht zu machen, vor allem nicht mit SPD und Grünen.