Es ist äußerst kompliziert, gegen Menschenhändler, Drogenbosse, konspirativ agierende Rechtsextremisten und gewaltbereite Islamisten zu ermitteln, da eine Aufklärung von Straftaten ohne Informationen von Insidern oft nahezu unmöglich ist.
Ein solcher Insider könnte beispielsweise ein kleiner Akteur aus dem Drogenmilieu sein, der regelmäßig einem bestimmten Polizisten Tipps gibt, um sein Einkommen zu steigern. Ebenso ein Hacker, der sein Wissen den Ermittlern zur Verfügung stellt.
Laut den Vorstellungen des Bundesjustizministers Marco Buschmann (FDP) soll der Einsatz von sogenannten Informanten zukünftig richterlich angeordnet, engmaschig überwacht und an strenge Regeln geknüpft werden.
Bedenken der Ermittler hinsichtlich zu viel Bürokratie und Einschränkungen
Die deutschen Generalstaatsanwälte warnen in ihrer Stellungnahme zu dem kurz vor Weihnachten vorgelegten Entwurf aus Buschmanns Ministerium davor, dass ihre Arbeit dadurch erheblich behindert werden würde.
Auch im Bundesinnenministerium bestehen Bedenken. Bereits vor der Veröffentlichung des Entwurfs gab es intensive Gespräche, in denen Fachleute des Hauses mit Vertretern des Justizressorts versuchten, die aus ihrer Sicht besonders problematischen Passagen zu entschärfen.
Nicht nur bei den Beamten im Haus von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ruft das im Koalitionsvertrag der SPD, Grünen und FDP vereinbarte Vorhaben wenig Begeisterung hervor.
Auch aus den Ländern kommt Kritik. Ein hochrangiger Beamter aus den Sicherheitsbehörden warnte vor Monaten davor, dass 95 Prozent aller Informanten abgeschaltet werden müssten, wenn die ursprünglichen Vorschläge aus dem Bundesjustizministerium umgesetzt worden wären.
„Es bedarf klarer Regeln für den Einsatz von Informanten durch den Staat“
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Benjamin Strasser (FDP), hält dagegen. Er argumentiert, dass klare gesetzliche Regeln für den Einsatz von Informanten durch den Staat erforderlich seien. Während der Beratungen zu dem Vorhaben wurden auch Vertreter von Bundespolizei und Bundeskriminalamt angehört.
Informanten, auch bekannt als Vertrauenspersonen (V-Personen), bewegen sich bereits in einem spezifischen kriminellen Milieu, wenn sie sich der Polizei als Informanten anbieten.
Die Polizei greift vor allem dann auf Informanten zurück, wenn verdeckte Ermittler Schwierigkeiten haben, Zugang zu bestimmten Personen und Informationen in einem bestimmten Milieu zu bekommen.
Zukünftige Genehmigung des Einsatzes durch Richter
Wie bei anderen verdeckten Maßnahmen soll laut dem Entwurf in Zukunft auch der Einsatz von Informanten einer anfänglichen und einer fortlaufenden gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Zudem enthält der Entwurf konkrete Vorgaben für Fälle, in denen verdeckte Ermittler oder Informanten Menschen aus dem kriminellen Milieu zu Straftaten verleiten, beispielsweise um nicht entdeckt zu werden.
In dem Entwurf, zu dem in den vergangenen Tagen mehrere kritische Stellungnahmen von Ländern und Verbänden eingegangen sind, heißt es: „Eine Tatprovokation ist rechtsstaatswidrig, wenn ein verdeckter Ermittler oder eine Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise erheblich auf eine Person einwirkt, um ihre Tatbereitschaft zu wecken oder ihre Tatplanung wesentlich zu intensivieren“.
Zusätzlich sieht der Vorschlag aus dem Bundesjustizministerium eine Höchstdauer vor, damit ein Informant, der von der Polizei Geld für seine Informationen aus einer extremistischen Szene oder einer Verbrecherbande erhält, dies nicht dauerhaft als Beschäftigung ansieht.
vor zehn Jahren für den Einsatz einer V-Person.
Generalstaatsanwälte entsetzt: „Schenkt Schwerkriminellen Vorteile“
Im Einzelfall kann davon auch abgewichen werden, wenn die Ermittler eine überzeugende Begründung vorlegen. Nach Buschmanns Vorstellungen sollte die Obergrenze ohne Ausnahmen bei fünf Jahren liegen. Dieser Vorschlag wurde jedoch abgelehnt, da die Anwerbung verlässlicher Informanten aus bestimmten Milieus herausfordernd ist.
In ihrer Stellungnahme vertreten die Generalstaatsanwältinnen und Generalstaatsanwälte die Ansicht, dass der Referentenentwurf “den Einsatz von Vertrauenspersonen faktisch abschaffen” möchte. Er spiele “Schwerkriminellen – auch aus dem Bereich politischer Kriminalität – in die Hände”.
Etwa 65 Prozent aller V-Personen beim Bundeskriminalamt (BKA) liefern Informationen zu Gruppierungen der Organisierten Kriminalität. Die übrigen Fälle betreffen hauptsächlich politisch motivierte Straftaten.
Striktere Vorgaben zum Schutz der Privatsphäre von Verdächtigen sind sowohl für V-Leute als auch für verdeckte Ermittler der Polizei vorgesehen. Das bedeutet beispielsweise, dass Aussagen eines Betroffenen zu familiären Belangen außer Betracht bleiben müssen.
Deutschen Anwaltverein geht Entwurf des Justizministeriums nicht weit genug
Mit dieser Einschränkung folgt der Entwurf auch einer Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts, das an dieser Stelle eine klare gesetzliche Regelung gefordert hatte.
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hält den Entwurf aus dem Bundesjustizministerium für unzureichend. Obwohl es positiv sei, dass im geplanten Gesetz erstmals konkrete Regeln formuliert würden, in welchen Fällen der Einsatz von verdeckten Ermittlern oder V-Leuten überhaupt zulässig ist und wie eine V-Person ausgewählt werden soll, fehle es an “klaren Ausschlussregeln bei der Auswahl einer Vertrauensperson, wie beispielsweise einer Vorstrafenbelastung”.
Es ist bereits offensichtlich, dass, wenn der Vorschlag des Bundesjustizministeriums weitgehend unverändert vom Kabinett und später auch im Bundestag gebilligt wird, zusätzliche Arbeit auf die Justiz zukommen würde.
Beispielsweise müssten sich Richter und Richterinnen in Ermittlungsverfahren einarbeiten, um über die Verwendung einer bestimmten V-Person durch die Polizei entscheiden zu können.
Durch den Richtervorbehalt würde sich automatisch der Personenkreis erweitern, der von der Existenz einer V-Person in einem bestimmten Umfeld Kenntnis hat. Die Generalstaatsanwälte warnen deshalb: “Jeder Antrag und jeder gerichtliche Beschluss zum Einsatz von Vertrauenspersonen, der in den Akten auftauchen kann, erhöht die Gefahr der Entdeckung.”